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Enerige & Management > E&M Vor 20 Jahren - „Für den Ausbau ist es bereits Fünf vor Zwölf“
Konstantin Staschus (auf einem Bild von 2010). Quelle: BDEW
E&M VOR 20 JAHREN:
„Für den Ausbau ist es bereits Fünf vor Zwölf“
Die Netzentgelte sind die Grundlage für Investitionen in das Netz und letztlich für die Versorgungssicherheit. Dies war vor 20 Jahren auch schon so – und auch damals ein Streitpunkt.
 
Deutschland steht in Sachen Versorgungssicherheit seit Jahrzehnten hervorragend da. „Weltmeister bei der Zuverlässigkeit der Stromnetze“ war eines der Attribute, die sich die Netzbetreiber vor 20 Jahren selbst gerne gaben. Aber schon damals stellten sie klar: Dass der Strom (fast) nie wegbleibe, habe seinen Preis. Deshalb müssten die Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass ausreichend in den Netzausbau investiert werden könne. Denn der sich abzeichnende Ausbau der Windenergie erfordere zusätzliche Netzkapazitäten.

Über diese Erfordernisse sprach E&M-Korrespondentin Cerstin Gammelin 2005 mit Konstantin Staschus, dem Geschäftsführer des Verbandes der Netzbetreiber VDN beim damaligen VDEW.


 
E&M: Herr Dr. Staschus, können Sie sich sinkende Netzentgelte vorstellen?
 
Staschus: Bei Effizienzsteigerungen in der Infrastruktur auf allen Netzebenen werden entstehende Kostenvorteile selbstverständlich an die Verbraucher weitergegeben. Die Kosten im Hochspannungsnetz steigen allerdings, weil immer mehr Regel- und Ausgleichsenergie für die Windenergie bereitgestellt werden muss. Diese Regel- und Ausgleichsenergie ist derzeit aber immer noch deutlich preiswerter als alle dezentralen Speichertechnologien von Druckluft bis Wasserstoff.
 
E&M: Werden die deutschen Stromnetze künftig so zuverlässig funktionieren wie bisher?
 
Staschus: Wenn die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen es erlauben, dass unsere Unternehmen die Netze richtig betreiben und ausreichend in sie investieren können, ja. Uns stehen umfangreiche Ersatzinvestitionen bevor. Und für den Abtransport der Windenergie aus Norddeutschland sind Investitionen in Milliardenhöhe nötig.
 
E&M: Die Ergebnisse einer Dena-Netzstudie zeigen, dass zusätzliche Netzausbaukosten für den Abtransport des Stroms aus Offshore-Windparks anfallen.
 
Staschus: Die vorliegende Studie, die unser Verband finanziell unterstützt hat, belegt, dass der Abtransport der Offshore-Windenergie in zweierlei Hinsicht kostentreibend ist: Es müssen Höchstspannungsleitungen neu gebaut und es muss genügend Regel- und Ausgleichsenergie bereitgestellt werden. Der Ausbau allein des Höchstspannungsnetzes an Land kostet bis 2007 rund 280 Millionen Euro, von 2007 bis 2010 etwa 490 Millionen und von 2010 bis 2015 zirka 350 Millionen Euro. In der Summe ergibt dies bereits 1,1 Milliarden Euro.
 
E&M: Mit wie viel Regelenergie pro Megawatt Windenergieleistung kalkulieren Sie?
 
Staschus: Die Dena-Studie zeigt, dass die installierte Windenergieleistung on 14,6 GW in 2003 auf 36 GW in 2015 ansteigen wird. Das heißt, ein Anstieg um den Faktor 2,5. Dieser Anstieg an installierter Windenergieleistung bedingt eine deutlich überproportionale Steigerung der im Voraus einzuplanenden Regel- beziehungsweise Reserveleistung. In Zahlen bedeutet dies: Allein für die positive Regel- und Reserveleistung zum Ausgleich einer unerwartet niedrigen Windstromerzeugung mussten 2003 im Mittel zusätzlich 1.200 MW und maximal 2.000 MW einen Tag im Voraus eingeplant werden. Im Jahr 2015 steigt der Wert im Mittel auf zusätzlich etwa 3.200 MW und maximal auf 7.000 MW. Der Mittelwert entspricht 9 Prozent und der Maximalwert 19,4 Prozent der installierten Windenergieleistung. Hinzu kommt noch die negative Regel- und Reserveleistung zum Ausgleich einer unerwartet hohen Windstromerzeugung. Hierfür mussten 2003 im Mittel zusätzlich 750 MW und maximal 1.900 MW einen Tag im Voraus eingeplant werden. Im Jahr 2015 steigt der Wert im Mittel auf zusätzlich 2.800 MW und maximal auf 5.500 MW. Der Mittelwert entspricht 8 Prozent und der Maximalwert 15,3 Prozent der installierten Windenergieleistung. Somit sind durch den angedachten Windenergieausbau bis zu 30 Prozent der installierten Windenergieleistung zusätzlich an Regel- und Reserveleistung einen Tag im Voraus einzuplanen. 
 
E&M: Sind Sie vor diesem Hintergrund mit dem Entwurf der Netzentgelt- und Netzzugangsverordnung aus dem Bundeswirtschaftsministerium zufrieden?
 
Staschus: Als Verband wollten wir die Netzzugangsbedingungen und den Kalkulationsleitfaden aus der Verbändevereinbarung Strom zwei plus in die Verordnungen des neuen Energiewirtschaftsgesetzes übernehmen. Einen großen Teil davon haben wir im Entwurf aus dem Bundeswirtschaftsministerium gefunden. Aber einige sehr wichtige Passagen wurden durch das Ministerium und die Regierungsfraktionen stark geändert. Wir sehen durch die derzeitigen Entwürfe die Investitionsfähigkeit der Netzbetreiber sehr stark gefährdet. Hier sind noch sehr wichtige Änderungen nötig, damit weiter in die Netze investiert werden kann.
 
E&M: Wenn die Atomreaktoren wie vereinbart vom Netz gehen, könnten dann nicht die Offshore-Windparks ihren Strom wenigstens teilweise nach Nord- und Mitteldeutschland liefern?
 
Staschus: Die Dena-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass nur rund 6 Prozent, also rund 2.000 MW, der 36.000 MW installierten Windenergiekapazitäten in 2015 als gesicherte Leistung angesehen werden können. Das heißt, dass bei der üblichen Versorgungssicherheit von 99 Prozent gerade mal diese 2.000 MW an sicher einplanbarer konventioneller Kraftwerksleistung langfristig ersetzt werden können. Hinzu kommt der erforderliche Ausbau des Höchstspannungsnetzes, um den offshore erzeugten Strom zu den Verbrauchern transportieren zu können. Dieser beläuft sich bis zum Jahr 2015 auf zusätzliche rund 850 km Trassenlänge. Hinzu kommen erforderliche Netzverstärkungen. Im Grunde ist es für den Ausbau bereits fünf vor Zwölf. Wenn Sie daran denken, dass die Genehmigungsverfahren und der Bau der Leitungen zehn Jahre und mehr dauern können.
 
E&M: Apropos Netzinvestitionen: Was können Netze heute leisten, was sie vor zehn Jahren noch nicht konnten?
 
Staschus: Forschung und Entwicklung im Bereich der Stromnetze gliedern wir in Primär- und Sekundärtechnik. Primärtechnik sind die Leitungen selbst, Transformatoren und Schaltanlagen. Technische Neuerungen, die unter anderem die Zuverlässigkeit verbessern, lassen sich hier nur über lange Zeiträume messen. Die Schutz- und Leittechnik sowie andere Anwendungen der Informationstechnik bezeichnen wir als Sekundärtechnik. In diesem Bereich gibt es die größten technischen Fortschritte und schnellere Erneuerungszyklen. Störungen können beispielsweise schneller eingegrenzt und behoben werden. Damit erreichen wir eine höhere Zuverlässigkeit. Auch Lastflüsse, die für den Stromhandel wichtig sind, werden optimiert. Die zusätzlichen Informationen aus der Leittechnik machen das Netz flexibler und ermöglichen über bessere Auslastung spezifische Kosteneinsparungen.
 
 

Cerstin Gammelin
© 2025 Energie & Management GmbH
Freitag, 06.06.2025, 11:25 Uhr

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